Schnittstellen für die Zukunft der Produktion
Die Vision „Plug-and-Produce“ erfordert eine neue Generation von Schnittstellen, die deutlich kommunikativer sind als die bisherigen. Für WEISS sind dabei die Übertragungsstandards OPC UA und MQTT genauso wichtig wie die Entwicklung von Produktschnittstellen, die dem Kunden ein Höchstmaß an Flexibilität bieten.
Anschließen und nutzen – was bei Computern dank USB seit Jahren Alltag ist und die problemlose Sofort-Verwendung nahezu aller Peripheriegeräte ermöglich, ist im industriellen Produktionsumfeld immer noch ein Wunschtraum. Selbst in der modernsten Fertigung sind bis heute unterschiedliche Steuerungen, Kommunikationsprotokolle und Feldbussysteme zu managen, die einen hohen Konfigurationsaufwand mit sich bringen – sowohl bei der Inbetriebnahme als auch bei Anpassungen der Produktionsanlage.
Die damit verbundenen Kosten erhöhen den Druck auf Maschinen- und Anlagenbauer, den Standardisierungsgrad ihrer Produkte zu erhöhen. Gleichzeitig brauchen diese Hersteller aber auch ausreichend großen Freiraum für die Realisierung von kundenindividuellen Produktmerkmalen, die zum Teil ebenfalls über Schnittstellen erfolgt – ein anspruchsvoller Spagat, der die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von Maschinen- und Komponentenbauern maßgeblich beeinflusst.
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OPC UA und MQTT – Kommunikationsstandards für die vernetzte Produktion
Zur Vernetzung von Maschinen, Peripherie, Software und IT im Sinne der Smart Factory ist eine einheitliche Verständigungsgrundlage erforderlich. Hierfür stehen verschiedene Schnittstellen und Protokolle zur Verfügung. So können beispielsweise beim Condition Monitoring Zustandsdaten per Profinet, EtherCAT oder EtherNet/IP übermittelt und direkt visualisiert werden.
Ausführlichere Informationen sind über OPC UA und MQTT abrufbar. Diese beiden Standards gelten derzeit als die zwei wichtigsten Kommunikationsstandards in der Produktion, weil sie herstellerunabhängig arbeiten. Zudem unterstützen sie Produktionsbetriebe laut einer VDMA-Studie bei wichtigen Transformationszielen, etwa bei folgenden Aufgaben:
- proprietäre Schnittstellen auflösen
- Plug-and-Produce durch standardisierte Kommunikation realisieren
- Integrationsaufwand verringern
- attraktivere Produkte mit größerem Kundennutzen produzieren
1. Open Platform Communications – Unified Architecture, kurz: OPC UA
Bei OPC UA handelt es sich um einen offenen Schnittstellenstandard für die sichere industrielle Kommunikation von Maschine zu Maschine oder von PC zu Maschine und weiteren Systemen. Die wichtigsten Ziele von OPC UA sind Plattformunabhängigkeit und Interoperabilität.
Um die Vision einer „Weltsprache der Maschinen“ umzusetzen, wird OPC UA mit komplementären Technologien und Standards kombiniert, etwa mit Ethernet, Ethernet TSN oder Ethernet ALP sowie mit Protokollen wie UDP/IP oder TCP/IP.
Einer der Vorteile von OPC UA besteht darin, dass Sicherheitsmerkmale und IT-Mechanismen zur Authentifizierung, Verschlüsselung und Signierung bereits im Standard implementiert sind. In Verbindung mit der semantischen Beschreibung von Maschinendaten ist die Lösung deshalb nicht nur für die sichere Integration von Maschinendatenströmen geeignet, sondern auch für Machine-Learning-Anwendungen und zur Realisierung von digitalen IoT-Services.
Künftig soll OPC UA in der Feldebene vorherrschen und als interoperable Kommunikationslösung alle Anforderungen rund um die industrielle Automatisierung abdecken. Zusatzkosten durch aufwendige Softwareentwicklung oder ständige Basteleien an umständlichen Gateways wären damit Vergangenheit.
2. MQTT – Message Queuing Telemetry Transport
MQTT ist ein offenes Netzwerkprotokoll für Machine-to-Machine-Kommunikation, das die Übertragung von Telemetriedaten in Form von Nachrichten ermöglicht. Für die Übertragung geeignete Geräte reichen von Sensoren und Aktoren über Mobiltelefone oder eingebettete Systeme in Fahrzeugen bis hin zu Laptops und Workstations.
Die Verbindung zwischen den Geräten erfolgt über einen zentralen Server, der den Zustand aller angebundenen Geräte permanent vorhält. Damit ist MQTT besonders gut geeignet für Verbindungen über große Distanzen und in störanfälligen Netzwerken. Außerdem ist MQTT Open Source.
Zahlreiche Tools sind kostenfrei als Download verfügbar – ein wesentlicher Vorteil, der erklärt, warum MQTT mittlerweile weit verbreitet ist. Darüber hinaus lässt sich MQTT leicht implementieren – während die Spezifikation für OPC UA 1250 Seiten umfasst, sind es bei MQTT gerade mal 80 Seiten.
Zum Aufbau einer robusten Sicherheitsarchitektur sind MQTT und OPC UA gleichermaßen geeignet. Die Stärken von MQTT liegen vor allem in der zuverlässigen Datenübermittlung über weite Distanzen, während OPC UA vor allem bei der Echtzeitkommunikation innerhalb einer Fabrikhalle punktet. Die jeweiligen Stärken der Kommunikationsprotokolle lassen sich kombinieren, wenn beide Standards parallel genutzt werden.
Module für jede Schnittstelle
Als Komponentenhersteller ist es für WEISS seit jeher selbstverständlich, Industriestandards zu bedienen. „Wir arbeiten zusammen mit Partnern – u. a. mit dem VDMA in der Fachabteilung Integrated Assembly Solutions (IAS) – an der Weiterentwicklung von OPC UA. Gerade MQTT begegnet uns am Markt immer wieder im Rahmen von Kundenanfragen. Diese Schnittstelle nutzen wir dann im Rahmen dieser spezifischen Projekte, aber auch bei der Entwicklung unserer Neuprodukte zur Übertragung von Zustandsdaten“, sagt Christian Göltl, Produkt Manager Controls und Digitalization bei WEISS.
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Mit OPC UA und MQTT ist das Thema Schnittstellen bei WEISS allerdings nicht einmal im Ansatz erschöpft. Schließlich spielen neben den herstellerunabhängigen Interfaces auch die Kundenschnittstellen eine gewichtige Rolle in der Portfoliostrategie.
Zum Beispiel bei den Rundschalttischen: Mit dem mechanischen Motorflansch, dem elektrischen Motorklemmbrett, der Bedienstelle und der Steuerung gibt es allein hier vier Standardschnittstellen. Für Kunden bietet diese Orientierung am Standard mehrere Vorteile, denn sie können ihre Peripherie flexibel und bedarfsgerecht mit modularen Bauteilen von WEISS konfigurieren, sie wahlweise aber auch bei Fremdanbietern kaufen. „Als Komponentenhersteller müssen wir diese Interoperabilität bieten, um einen großen Kundenkreis anzusprechen. Die Marktmacht, Schnittstellen vorzugeben, haben wir nicht“, erklärt Christian Göltl.
Erst die Arbeit, dann die Visionen
Interoperabilität ist allerdings nicht nur eine definierte Kundenanforderung. Nicht selten verursacht sie auch Probleme – nämlich dann, wenn sie ausbleibt. Dazu kann es kommen, wenn Kunden einen Rundschalttisch nicht korrekt mit der Produktionsanlage verdrahten.
Zwar bietet WEISS verschiedene Klemmpanels zur Aufnahme von Einzeldrähten an und die Verbindung lässt sich alternativ auch über ein LAN-Kabel herstellen, allerdings kommt es auch hier regelmäßig zu Fehlern, weil die Konfiguration nicht automatisch erfolgt, sondern IP-Adresse und Subnetzmaske manuell eingegeben werden müssen. „Natürlich wollen wir unsere Kunden für Visionen und neue digitale Möglichkeiten begeistern. Das können wir aber erst, nachdem wir diese zwei Schmerzpunkte für sie beseitigt haben“, sagt Christian Göltl.
Um möglichst schnell Abhilfe zu schaffen, wird WEISS zum einen vermehrt Tutorials erstellen und den Ausbau einer Wissensdatenbank vorantreiben, also Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Zum anderen sucht WEISS aber auch nach neuen Übertragungswegen zur drahtlosen Kommunikation der Zustandsdaten, mit denen sich die leitungsgebundenen Probleme identifizieren lassen. „Die Rundschalttische von WEISS sind im Herzen von Automations- und Montageanlagen verbaut. Das heißt, sie sind unter Umständen nicht direkt zugänglich. NFC ist für uns eine interessante Technologie gerade unter diesen Rahmenbedingungen. Kunden, die einen Rundschalttisch mit WEISS Steuerung einsetzen, lesen Daten aus der Steuerung aus.
Wird der Tisch ohne WEISS Steuerung betrieben, kann der Anwender im Bedarfsfall über NFC die Zustandsdaten abfragen, ohne z. B. die Abdeckung des Schaltnockens mechanisch demontieren zu müssen. NFC ist eine in dem Sinne einfache Technologie, die keine zusätzliche Schnittstelle oder App benötigt. Sie überträgt Daten unkompliziert zwischen unterschiedlichen Geräten“, erklärt Christian Göltl. „Durch den Einsatz von NFC bereiten wir kommende digitale Services vor und erleichtern dem Kunden zum Beispiel die Einbindung seiner Komponenten in die WEISS World.“
Schnittstellen für Lebenszyklusdaten
Mit der drahtlosen Kommunikation begegnet WEISS auch dem Kundenwunsch, mehr Betriebs- und Zustandsinformationen über den eigenen Rundschalttisch zu bekommen, etwa im Rahmen von Condition Monitoring bzw. Predictive Maintenance. „Sobald wir dafür eine Datenbasis geschaffen haben, können wir mit den entsprechenden Algorithmen auch den Wunsch nach Predictive Maintenance erfüllen“, erklärt der Interface-Experte von WEISS. Zum Innovationspfad gehöre auch der Einbau von Sensoren, die Zustandsänderungen und Anomalien erkennen. „Das bedeutet: Unsere Kunden bekommen Lebenszyklusdaten in ausreichender Granularität auf Basis von relevanten Messgrößen, die wir direkt aus der Komponente bereitstellen.“
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Möglich sind solche und viele weitere Entwicklungen durch eine klare Grenzziehung zwischen Standardisierung und Individualisierung. Im Fall von WEISS bedeutet das: Alle Bereiche jenseits der Komponente werden im Standard bedient. Innerhalb der Komponente jedoch nutzt WEISS sein Domänenwissen funktional dafür, dass Sensoren die richtigen Messgrößen erfassen, sowie für Weiterentwicklungen in Richtung Predictive Maintenance und weiteren digitalen Services. „Im Rahmen unseres Domänenwissens gibt es hier nichts, was im Standard entsteht“, sagt Christian Göltl. „Diese Daten sozusagen ‚von unten‘ – also aus der Komponente heraus – liefern zu können, ist unser Wettbewerbsvorteil und unser USP.“